Noch nicht zur Ruhe gekommen
(OTZ 9.4. Katrin Wiesner)
Beteiligte ziehen positives Zwischenfazit beim Umbau des Stadtgebietes Bieblach
Von Katrin Wiesner Gera-Bieblach/Ost. So sieht es aus, wenn ein ganzer Stadtteil umgekrempelt wird: Fast drei Millionen Euro sind seit 2004 in den Rückbau von Bieblach-Ost geflossen, weil sich die Zahl der Einwohner seit 1995 halbierte. Andererseits sind in den letzten sieben Jahren 13 Millionen Euro in die Modernisierung und Instandsetzung von 462 Wohnungen investiert worden. Geras Baudezernent Ramon Miller (SPD) formuliert: "Wir wollen nicht, dass der Stadtteil plattgemacht wird, sondern als Zentrum erhalten bleibt". Die Umgestaltung von Bieblach-Ost und Alt-Bieblach ist eine Gradwanderung zwischen gezieltem Abbruch und gewünschtem Erhalt sozialer Strukturen, dem Wunsch der Stadt, das Stadtzentrum zu stärken und den Ansprüchen der Mieter, die gern in ihrem Viertel bleiben möchten.
Seit sieben Jahren ist der Stadtteil mit einer aktuellen Arbeitslosenquote von 19,8 Prozent (Stadt und Umland: 14,2 Prozent) dem Bund-Länder-Programm Soziale Stadt angeschlossen, das einer sozialen und räumlichen Spaltung entgegenwirken und die klassische Stadtplanung ergänzen soll. Jetzt wurden die Ergebnisse erstmals bewertet. Freie Träger, Wohnungsunternehmen und Verwaltung haben über einen Fragespiegel positive Erfahrungen und Defizite erfasst. "Das Fazit kann sich sehen lassen", sagt Projektverantwortliche Birgitt Ungnad: "80 Prozent der geplanten Maßnahmen sind realisiert, und viele Bürger haben mitgezogen. Und dass sich die Bewohner kümmern, sich identifizieren, das ist das Ziel."
Mankos gibt es natürlich trotzdem. So in den für das soziale Leben so wichtigen Zentren des Stadtteiles. Während am Bieblacher Hang die Lebensmittelkette Rewe eine Erweiterung angekündigt hat, fehlt ein Nahversorger in Bieblach-Ost. Märkte gibt es hier nur in Randlagen, das bedeutet weite Wege. "Die Bahnfahrt innerhalb des Viertels ist vielen einfach zu teuer", weiß Steffi Sauerbrei vom Stadtteilbüro. Ungnad spricht von der gezielten Suche nach einem Investor für das alte C-Zentrum in der Heidecksburgstraße. Der Einfluss der Stadt ist allerdings gering. Und je kleiner das Gebiet wird, umso schwerer dürfte sich die Suche gestalten. Und umso schwerer wiegt jeder Wegzug auch nur eines Blumenladens, der die Post mit angenommen hat und in dem man einen Schwatz hielt. Und um so mehr plagen Gerüchte den Stadtteil, dass auch soziale Einrichtungen abwandern. Grundlos hatte darunter schon die Tabaluga-Schule zu leiden. Anders als auf dem Feld privaten Kapitals kann die Stadt hier Entwicklungen gezielt gegensteuern. Neues ist angekündigt. So entsteht im Familienzentrum in der Fritz-Gießner-Straße ein Mehrgenerationenhaus. In einer leerstehenden Kindertagesstätte in der Mühsamstraße in Alt-Bieblach, wo Planer derzeit einen Generationswechsel beobachten, ist eine Begegnungsstätte geplant. Und dort könnte auch die von der Schließung bedrohte Stadteilbibliothek fortgeführt werden. Nicht nur, dass die Stadt die Betreibung einstellen möchte, auch der Block in der Havemannstraße in Ost soll abgerissen werden.
Als positiv bewertet Ungnad die Effekte des Bundesprojektes LOS - Lokales Kapital für soziale Zwecke, das allerdings im Sommer ausläuft. Bürger hatten hier vier Jahre lang Mitsprache bei der Verteilung von jeweils 100 000 Euro. Da kochen Jugendliche mit den Streetworkern, ein Fit-for-Fun-Kurs läuft auch nach der Bezuschussung weiter, ein Kreativkurs ist so beliebt, dass Teilnehmer aus anderen Stadtteilen kommen. Derzeit wächst über LOS ein Bürgerpark auf einer Abrissfläche an der Osterburgstraße. Ursprünglich hatte der Eigentümer Gärten für die Anwohner geplant, doch die stimmten am Ende für die öffentliche Parkanlage. Nicht alles ist erfolgreich: Ein Gebrauchtwarenhandel trug sich ohne Förderung nicht und musste eingestellt werden.
Der Umbau von Bieblach ist noch lange nicht abgeschlossen. Der Stadtteil ist noch nicht zur Ruhe gekommen, weiß Sauerbrei, "der Abriss ist noch immer ein erschreckendes Bild". Gleichzeitig hat der Eingriff Aktivitäten ausgelöst, über die jene, die sich einbringen, manchmal selbst staunen, weiß Ungnad. Wie Bieblach 2020 aussieht? Der Rückbau wird weitergehen, sagt Miller. In Ost und am Bieblacher Hang werden nur noch etwa 9000 Leute wohnen, derzeit sind es 11 200. "Aber, was erhalten bleibt, wird aufgewertet und bekommt eine neue Qualität." Vielleicht bleiben die Einwohner dann auch länger im Viertel. Derzeit wird vor allem in Bieblach-Ost schnell ein- und ausgezogen. Die Hälfte der Bewohner lebt weniger als zehn Jahre hier. Im Grunde zu kurz, um sich zu identifizieren, beobachtet Sauerbrei.
OTZ vom 09.04.2008, Mit freundlicher Genehmigung
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